Es war einmal eine junge Frau namens Leona, eine Wandlungsfee, die für ihre unvergleichliche Fähigkeit bekannt war, jede Rolle so vollkommen zu verkörpern, dass die Grenzen zwischen ihr und ihren Figuren verschwammen. Ihre leuchtenden Augen erzählten Geschichten aus Welten, die nur sie zu sehen schien.
Doch eines Tages fühlte sie, dass etwas in ihr verschwunden war – ein Teil ihres Selbst, der sich wie ein ferner Schatten anfühlte. Unerreichbar. Fremd. Sie wusste nicht mehr, wer sie war.
Hol mich zurück!“ hörte sie plötzlich eine Stimme rufen. Die Stimme klang wie ihre eigene, doch fremder, verzweifelter. Sie folgte dem Klang und fand sich vor einem alten, zerbrochenen Spiegel wieder, der mitten in ihrem Zimmer auftauchte. Darin sah sie nicht ihr eigenes Spiegelbild, sondern eine andere Leona, die verzweifelt gegen die Glaswand klopfte.
„Ich stecke fest!“ schrie die Gestalt im Spiegel. Leona zögerte, doch etwas in ihr sagte, dass dies kein Traum war. „Wann habe ich dich verloren?“ fragte sie. Doch die Antwort kam nicht sofort, sondern ließ sie rätseln, bis schließlich eines anderen Abends eine Eule zu ihr flog. Ihre Augen funkelten wie die Sterne.
„Du hast dein inneres Licht verloren,“ sagte die Eule weise. „Es geschah, als du begannst, Rollen zu spielen, die nicht die deinen waren. Du hast geglaubt, dass das, was du für andere tust und sagst, dich ausmacht. Doch dein wahres Selbst, dein Licht, hast du zurückgelassen.“
Leona erinnerte sich plötzlich an ein Theaterstück. Sie hatte während einer Szene eine filigrane Tiara abgenommen, die mit einem funkelnden Stein genau über ihrer Stirn geziert war. Es war eine spontane Geste gewesen, die sie in den Moment einfügte, doch jetzt begriff sie, dass diese Tiara mehr als ein Requisit war. Sie hatte unbewusst etwas Essenzielles von sich selbst zurückgelassen.
Leona schloss die Augen und reiste in Gedanken zurück, zurück in jene Aufführung, als sie auf der Bühne stand. Sie sah sich, inmitten des Theaterdonners, wie sie das Publikum fesselte. Sie erkannte, dass sie diese Rolle mit ihrer ganzen Seele gespielt hatte, weil es ihre Aufgabe war. Doch in diesem Moment, als sie die Tiara von ihrer Stirn nahm, hatte sie einen wichtigen Teil ihrer eigenen Kraft verloren – ihr „drittes Auge“, ihre innere Verbindung zu sich selbst.
„Es war nie meine Absicht,“ flüsterte sie zu der Eule. „Ich wollte nur die Rolle zum Leben erwecken.“
Leona stand auf, schloss die Augen und atmete tief ein. Sie streckte eine Hand aus, dann die andere, als würde sie durch Zeit und Raum greifen. Sie stellte sich vor, wie sie in jenem Moment die Tiara wieder an ihre Stirn legte und mit ihr all das zurückholte, was sie verloren hatte.
Die andere Leona im Spiegel griff nach ihr, und für einen Moment schien es, als würde die Welt selbst den Atem anhalten. Mit aller Kraft zog Leona ihr wahres Licht zurück in ihren Körper. Sie spürte, wie ihre innere Welt wieder ganz wurde. Sie klopfte sich die Arme, die Brust, die Beine ab, um sich zu versichern, dass alles an seinem Platz war. Endlich war sie wieder sie selbst.
„Das sind Rollen, die ich spiele,“ sagte Leona laut zu sich selbst, als sie ihr bekanntes Spiegelbild betrachtete. „Alles, was ich auf der Bühne tue, ist ein Spiel, doch wenn das Schauspiel vorbei ist, kehre ich zurück zu mir, in die wahre Leona.“
Von diesem Moment an wusste sie, dass sie diese Erfahrung gebraucht hatte, um zu erkennen, wie wichtig es ist, bei sich selbst zu bleiben. Sie verstand, dass Unsicherheiten und fremde Einflüsse ihre wahre Freude verdrängt hatten. Doch nie wieder würde sie zulassen, dass sie sich von sich selbst entfernte.
„Ich bleibe bei mir,“ flüsterte sie, während der Wind ihre Worte durch die Welt trug. „Für immer und ewig.“ Und so lebte Leona von diesem Tag an in ihrer wahren Kraft, mit einem Herzen voller Klarheit und einem Geist, der niemals wieder verloren ging.
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