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Wenn Wände brechen und Herzen sich öffnen: Die stille Kraft der inneren Kinder

 

Anna und Max streiten wieder – nicht zum ersten Mal, denn in letzter Zeit kommt es ständig dazu. Max versucht, seinen Standpunkt zu verteidigen, doch Anna empfindet die Situation ganz anders, und so wird er hart und unnahbar. Anna, die hochsensibel ist, spürt Max’ Kälte und wird wütend. Sie schreit ihn an. Max, der wie eine Wand wirkt, verteidigt seinen Standpunkt und verletzt Anna: „Du bist so anstrengend. Du machst immer Drama, und nichts ist gut genug für dich.“

 

Was die beiden in diesem Moment nicht sehen, sind ihre inneren Kinder, die traurig und verletzt in ihren Herzen sitzen und unter dem Streit leiden. Annas inneres Kind sehnt sich nach Nähe, will gehört und umarmt werden, möchte gesehen und geliebt sein. Auch Max’ inneres Kind wünscht sich Verständnis und das Gefühl, richtig zu sein.

 

Je wütender Anna wird, desto „falscher“ fühlt sich Max – ohne, dass er es bewusst merkt. Annas Wut signalisiert ihm: „Deine Meinung ist falsch, und damit bist du falsch.“ Gleichzeitig teilt Max Anna mit: „Deine Emotion ist unangebracht; du hast so, wie du bist, keinen Platz – und damit bist du falsch.“

 

Die inneren Kinder weinen und rufen still danach, dass die Erwachsenen aufeinander hören und sich in den Arm nehmen. Doch niemand macht den ersten Schritt. Max verschließt sich weiter, während Anna trauriger wird und ihre Trauer hinter der Wut verbirgt.

 

Plötzlich hört Anna ihr inneres Kind, das geduldig und verzweifelt auf eine Umarmung wartet. „Du bist gut, so wie du bist – richtig und wichtig.“ Vor ihrem inneren Auge erscheinen all die Erlebnisse, die sie geprägt haben: die Nähe, die sie nie erhielt, die Umarmungen, die sie gebraucht, aber nie bekommen hat. Ihre Eltern, ihre Lehrer, ja, selbst Johannes, ihr Ex-Partner, haben ihr oft nicht das Gefühl gegeben, dass sie richtig ist, wie sie ist.

 

Da sagt sie plötzlich: „Ich sehe dich.“

 

Dieser Satz gilt eigentlich ihrem inneren Kind, doch Max hebt seinen Kopf. „Verstehst du mich endlich?“ Und obwohl Anna Max’ Standpunkt nicht vollständig versteht, spielt das in diesem Moment keine Rolle. Sie sagt: „Ja, ich verstehe dich.“ Plötzlich wird Max weicher und sieht Anna in die Augen – zum ersten Mal seit Langem. Der Augenkontakt öffnet Annas Herz weiter, und sie umarmt Max. „Ich liebe dich“, sagt sie, und Max spürt, dass es wahr ist.

 

Seit jenem Tag weiß Anna um ihr inneres Kind und spürt, wie es bei jedem Streit auf eine Umarmung wartet. Sie wurde weicher, und Max wurde nie mehr zur Wand. Ihre Öffnung hat ihn umarmt, und sein Gesehenwerden, hat ihn geöffnet.

 

Wir alle tragen diese Kinder in uns, und alles, was sie wollen, ist, richtig und wichtig zu sein. Vielleicht denkst du bei deinem nächsten Streit daran und sagst deinem inneren Kind: „Ich sehe dich.“ Und ich bin mir sicher, dass du die Magie spüren wirst, die dann geschieht – wenn Wände brechen und Herzen sich öffnen.

 

Fabienne

 

 

Anna und Max sind fiktiv und verkörpern mehrere Menschen und ihr Erleben. 

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