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Jetzt

 

Das Leben ist jetzt. Wie oft hörte ich diesen Satz und spürte den Wert darin nicht. Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter. Auch das, ein Satz dessen unermesslichen Wert ich nicht verstehen konnte.

 

Und es kam der Tag an dem sich alles änderte. Um ehrlich zu sein, weiss ich vieles nicht mehr, doch an die Schmerzen im Schnee kann ich mich erinnern, ich erinnere mich an meine Schreie, in der Hoffnung, dass je lauter ich schreie, desto weniger würden meine Schmerzen werden. Ich hatte Todesangst und der Beweis, dass ich noch lebte waren meine Schmerzen. Es vergingen Tage und Wochen und die Schmerzen waren unerträglich, was noch viel schlimmer war, war meine Wut auf das Leben. Wieso ich? fragte ich mich tausend Mal. Ich war wütend auf das Kind, das vor mir Schlitten fuhr und ich ausweichen musste, ich war wütend auf meinen Arzt, der mir sagte ich hätte einfach eine krumme Sitzhaltung und eine Steissbeinprellung, ich war wütend, dass mir so etwas passieren musste. 

 

Und dann kam die Trauer. Ich mag mich nicht mehr an die Sitzung erinnern, an der mir mein Arzt sagte, dass mein Lendenwirbel gebrochen ist, wahrscheinlich blieb die Zeit stehen. Doch ich erinnere mich an die Physiositzungen, als mir mein Physio eine Wirbelsäule brachte und mir zeigte, welcher meiner Lendenwirbel nun versplittert ist. Ich erinnere mich an die Sitzung mit einem Chirurgen, der mir sagte ich würde für immer Schmerzen haben und eingeschränkt sein, ich könne nicht mehr reisen und wenn ich hinfallen würde, könnte ich gelähmt sein. Ich erinnere mich an die tausend Messerstiche in meinem Herzen, die Wut, die Trauer und die Machtlosigkeit. 

 

Ich erinnere mich aber auch an den Moment, als ich schmerzgekrümmt auf dem Klappbett lag und den Kristall am Fenster beobachtete. Die Sonne schien und der Kristall glitzerte, er warf Regenbogenfarben auf die Wände und ich spürte eine Wärme in meinem Herzen. Mein Rücken schmerzte unbeschreiblich, aber meine Tränen blieben stehen, um diesen simplen Moment zu geniessen. In diesem Moment, viele würden es als göttlich bezeichnen, geschah so viel mehr, als mir bewusst war. Es war der Wert des Jetzt, des vollkommenen Momentes, den ich in diesen Sekunden in jeder meiner Zellen spüren konnte. 

 

Und von da an änderte sich alles. Es war als würde ein Wissen in mir hinauf steigen. Wissen, dass nichts unmöglich ist. Dass ich wieder gesund werde, schmerzfrei und glücklich. Ich konnte wieder lachen und Motivation kam wie ein Schub über mich. Jeden Tag einen Schritt mehr, eine Minute länger. Schritt für Schritt begann ich aufzustehen, zu gehen und zu sitzen. Meine erste Dusche alleine, an die erinnere ich mich. Es war die beste Dusche meines Lebens. Warmes Wasser, Luxus, duschen Luxus, stehen, bewegen, ich fühlte mich wie der reichste Mensch auf Erden. Als die Schmerzen besser wurden und ich wieder normal im Bett liegen konnte geschah das nächste Wunder an das ich mich deutlich erinnere. Strecken. Am morgen nach dem Aufwachen den Körper strecken, was für ein Privileg. Aufwachen, ein anderer Tag in meinem Körper wird mir geschenkt. Ich erinnere mich wie mich die Dankbarkeit für alles und jeden überkam. Alles hatte plötzlich so viel Wert. Jeder Moment, jedes Körperteil, nichts war mehr selbstverständlich. Ich begann Danke zu sagen, lieber zweimal zuviel als gar nicht. Und aus der Wut und Trauer wurden Demut. 

 

Als die Dankbarkeit mein Leben er-füllte, geschah ein Wunder nach dem anderen. Meine Kreativität lebte neu auf. Ich malte, bastelte und schrieb den ganzen Tag. Der Zauberwald kam zu mir. Zuerst durch Fimofiguren, dann auf Bildern und dann in Geschichten. So viel Farbe, so viel Liebe, ich wurde überschüttet mit Inspiration. Mein Leben wurde positiv, ich sah alles positiv. Viele dachten ich lebe in einer Blase, viele distanzierten sich von mir und verstehen konnte mich sowieso fast niemand. Es schien wohl verrückt, nach so einem Schicksalsschlag so unendlich glücklich zu sein. 

 

Ich ging reisen, auf Australien und Neuseeland. Ich erlebte die wildesten Abenteuer, die schönsten Momente. Mein Körper schmerzte, doch mein Herz strahlte. 

 

Heute weiss ich, was Jetzt heisst. Heute kenne ich den unermesslichen Wert, der in einem simplen Moment inne wohnt. 

 

Dankbarkeit ist die wertvollste Zauberformel die es gibt. Sie hat meine Schmerzen geheilt. Die Kraft der Dankbarkeit ist unermesslich und ich erlebe es immer und immer wieder. In Momenten in denen ich erwarte, in Momenten in denen ich bewerte, in Momenten in denen ich mich schwer und traurig fühle. Erinnere ich mich an die Dankbarkeit, für was ich alles dankbar bin und es wird wieder warm und alles ändert sich. 

 

Dankbarkeit zu spüren ist ein riesen Geschenk und heute kann ich gar nicht mehr zählen, wie oft ich jeden Tag dankbar bin. Wie oft ich einfach herzerfüllt da sitze und mich bedanke. Mich bedanke für das Leben, mein Leben. Meine Berufung, meine Lieben und die kleinen, simplen Momente im Leben.

 

Das Leben hält so viele Schätze bereit, wir müssen sie nur sehen. Das Leben hält so viele Wunder bereit, wir müssen sie nur erkennen. 

 

Leben, ich liebe dich!

 

Und das, genau das hab ich damals verstanden, als die Sonne im Kristall geglitzert hat. Nichts würde ich anders tun, alles ist genau so richtig wie es geschehen ist. Alles ist richtig wie es ist, jetzt. 

 

Das Leben ist Jetzt!

Fabienne

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